Die Reformen der letzten drei Jahre im österreichischen Pflegesystem haben zwar einzelne Fortschritte gebracht, bleiben aber in entscheidenden Punkten hinter den Erwartungen zurück.

Neben den Errungenschaften (Was hat die Pflegereform gebracht?) gibt es noch viele Bereiche, die ebenfalls einer dringenden Reform unterzogen werden sollten –nachfolgend eine Übersicht.

Anpassung der Einkommensgrenze für die Förderung der 24-Stunden-Betreuung

Ein zentrales Problem betrifft die fehlende automatische Anpassung der Einkommensgrenze für die Förderung der 24-Stunden-Betreuung. Während die Pensionen an die Inflation angepasst und Jahr für Jahr angehoben werden, bleiben die Einkommensgrenzen für diese Förderung unverändert, was dazu führt, dass viele SeniorInnen trotz gestiegener Kosten plötzlich keinen Anspruch mehr auf diese dringend benötigte Unterstützung haben. Die Forderung lautet, diese Grenze künftig automatisch mit den Pensionsanpassungen zu valorisieren und so die Förderungen zumindest auf dem gleichen Level zu halten.

Mangelnde Einheitlichkeit zwischen Bund und Ländern

Das Pflegewesen in Österreich ist geprägt von teils gravierenden Unterschieden in der Gesetzgebung und der Finanzierung je nach Bundesland. Ein Beispiel hierfür ist die Übergangspflege: In der Steiermark trat am 1. Jänner 2025 das neue Pflege- und Betreuungsgesetz in Kraft, das die Kurzzeit- und Übergangspflege erstmals gesetzlich regelt und eine neue Pflegeform etabliert, die die Lücke zwischen Krankenhausaufenthalt und Rückkehr nach Hause überbrücken soll. Das Gesetz definiert den Grundsatz „mobile Pflege vor teilstationärer und stationärer Pflege“. Die konkreten Regelungen und die Finanzierung der Übergangspflege variieren jedoch stark von Bundesland zu Bundesland. Was in der Steiermark funktioniert, ist in Salzburg ganz anders. Viele Länder bieten ergänzende Zuschüsse oder Förderungen, etwa für Kurzzeit- oder Tagespflege, doch auch diese differieren von Region zu Region.

Unzureichende Weiterentwicklung der Pflege und von neuen Unterstützungsangeboten

Zwar wurden Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel gesetzt (Stichwort Ausbildung) und pflegende Angehörige punktuell entlastet, doch fehlt der notwendige Ausbau und die Weiterentwicklung von flexiblen Pflegeangeboten. Dazu zählt die Verbesserung von Kurzzeit- und Teilzeitpflege, Tages- sowie Nachtbetreuung, die Ausweitung der 24-Stunden-Pflege, von mobilen Diensten und Besuchsdiensten.

Die Reform ist kein tiefgreifender Wandel, sondern ein Bündel von Maßnahmen. Wo bleiben die nächsten Reformschritte? Beispielsweise ist die freie Wahl des mobilen Hilfsdienstes in Gemeinden nicht möglich, zumindest für die geförderte Variante. Dies liegt an politisch motivierten Monopolstrukturen und unterschiedlichen Regelungen von Gemeinden und Bundesländern. Die Weiterentwicklung und die Vielfalt von Angeboten bleiben dadurch auf der Strecke.

Community Nurses vor dem Aus

Community Nurses, die als neutrales Bindeglied zwischen Pflegebedürftigen und Gemeinden fungieren, stehen vor dem Aus. Siehe Link zu unserem Artikel über Community Nurses

Gründe sind das Festhalten an staatlichen Trägerorganisationen, die wenig Raum für Weiterentwicklung und gute Angebote lassen, sowie die fehlende dauerhafte Anschlussfinanzierung nach dem Auslaufen der EU-Förderung. Die Organisation und die Finanzierung dieser Leistungen gleichen mittlerweile einem österreichweiten „Fleckerlteppich“ aus lokalen Initiativen, wobei die Leistungen um bis zu 50 % bereits nachgelassen haben. Ende der Entwicklung ungewiss.

Abwanderung von Pflegekräften und Ungleichbehandlung im Personalwesen

Die Pflegereform konnte die Abwanderung von Fachkräften ins Ausland – z.B. in die Schweiz – nicht stoppen. Die Arbeitsbedingungen für die in Österreich tätigen Pflegekräfte wurde praktisch nicht verbessert.

Nur ein Beispiel aus der 24-Stunden-Pflege: so existieren Ausnahmeregelungen für die Aufnahme von Betreuerinnen aus Drittstaaten ausschließlich für die Ukraine, was sich als komplett wirkungslos erwiesen hat. Dabei werden ausländische Pflegekräfte dringend benötigt. Für die stationäre Pflege wurden Ausnahmen geschaffen, doch die Pflege zu Hause, welche die größere Gruppe darstellt, hinkt hinten nach.

Fehlende Wahlfreiheit und Ungleichbehandlung

In Österreich gibt es keine Wahlfreiheit bei der Pflege. Die teuerste und am wenigsten gewünschte Form, die Pflege in Heimen, wird weiterhin begünstigt, gefördert und unterstützt – im Gegensatz zur Pflege zu Hause. Die Abschaffung des Pflegeregresses gilt nach wie vor nur für Heime, nicht aber für die häusliche Pflege. Dies gilt es sofort zu korrigieren und rechtlich gleichzustellen. Es ist unverständlich, warum bei der häuslichen 24-Stunden-Pflege das Erbe weiterhin angetastet wird, während die Unterbringung in einem Pflegeheim vom Pflegeregress ausgeschlossen ist.

Bundesweite einheitliche Leistungsstandards

Besonders wichtig wären einheitliche Qualitätskriterien und Leistungsstandards, damit alle Menschen in Österreich, die ja auch die gleichen Steuern zahlen, auch das gleiche Maß an Pflege und Unterstützung erhalten – unabhängig von ihrem Wohnort und Sozialstatus.

Notwendige Maßnahmen wie beispielsweise Ergotherapie und Assistenz in Demenzphasen sind oft nur regional begrenzt oder gar nicht verfügbar. Maßnahmen, die den Pflegebedarf eindämmen und Kosten sparen könnten.

Unzureichende Nutzung der Digitalisierung im Pflegesektor

Neben der Frage des Personals gilt es auch, neue Potenziale, beispielsweise durch Digitalisierung, ins Visier zu nehmen. Telecare, Telemedizin und Smart-Home-Technologien bieten gute Möglichkeiten, die Pflege zu Hause zu erleichtern, effizienter zu gestalten und das Pflegesystem insgesamt zu entlasten. Dies wird zwar als große Chance erkannt, aber noch unzureichend genutzt.

Die Pflegereform wirkt zusammenfassend als ein aus Einzelmaßnahmen bestehendes Sammelpaket, das strukturelle Probleme bzw. weitreichende und langfristige Reformen nicht grundlegend angeht. Die Forderungen betreffen eine klare bessere Finanzierung, mehr Wahlfreiheit, die Ausweitung der häuslichen Pflege und mobiler Dienste, die realistische Integration von digitalen Innovationen und die Schaffung österreichweiter, einheitlicher Standards für einen fairen Allgemein-Zugang zur Pflege.